„Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“ Das soll der heilige Stephanus gesagt haben, nachdem er eine flammende Verteidigungsrede gehalten hatte. Seine letzten Worte fanden kein Gehör. Er wurde der Gotteslästerei schuldig gesprochen und vor den Toren Jerusalems gesteinigt.“

Unsere Tochter wurde auch gesteinigt, aber mit Worten, sagte der Vater. Die Mutter berichtet, schon in der Schule wurde unsere Tochter Stefanie gemobbt, sowohl von den Pädagogen als auch von einer Mitschülerin. Ein Pädagoge: „Dich sollte man in eine Abfalltonne stecken.“

Aber warum? Steffi war klein, zierlich und hatte eine Rechenschwäche. 

Das “Verbrechen“ von Steffi war, sie blieb klein und zierlich. Sie wog mit gerade mal 1,56 m Körpergröße nicht mal 50 kg, zudem hatte sie ihr kurzes Leben lang eine kindliche Ausstrahlung. Sie war sehr tierlieb und wollte es im Beruf allen recht machen. Sie hatte hohe Ansprüche an sich und ihre Mitmenschen. Ihr Bruder sagt: „Sie war eine Perfektionistin.“

Nach der Schule ergriff Stefanie einen „Männerberuf“. Sie lernte Automechaniker mit der Folge, sie wurde nicht nur wegen ihres Erscheinungsbildes ausgelacht, sie war Schuld für alle vermeintlichen Fehler, auch für diese, die ihre männlichen Kollegen machten. Für den Ausbilder war sie als Frau ein „Dorn im Auge“.

Dennoch zog sie tapfer die Ausbildung durch und wechselte danach in eine Firma, ebenfalls in der Autobranche, dort war sie zusätzlich anderen männlichen Angriffen ausgesetzt. Die Eltern erinnern sich, sie hatte einen Auspuff zum Auto getragen, die Männer lachten hämisch und meinten: „Jetzt hast du auch mal was Anständiges in der Hand“. Dennoch beklagte sich Stefanie nie, sie erzählte es ihren Eltern und umspielte es mit Witz und Lachen. Diese Arbeit war für sie körperlich zu schwer, weil sie auch Ölfässer bis zu 80 Liter und mehr bewegen musste, deshalb suchte sie nach einer anderen beruflichen Herausforderung.

Sie wurde Busfahrerin, legte die Prüfung ab und war sehr stolz auf ihren neuen Beruf. Leider hatte sie die Rechnung ohne die Fahrgäste gemacht. Ständig wurde sie wegen ihres Aussehens gehänselt wie z.B: „Hast du überhaupt schon einen Führerschein? Du hast doch noch keine Fahrprüfung abgelegt?“ „Darfst Du überhaupt schon Auto fahren?“ Sie wurde nicht ernst genommen, als Person nicht respektiert. Ihren Eltern hat sie immer wieder die Vorkommnisse geschildert, diese machen sich heute noch Vorwürfe. Die Mutter meint, sie hat so gut geschauspielert. Wir haben es, obwohl wir eine innige Beziehung zu unserer Tochter hatten, nie bemerkt wie sehr sie leidet. Wir haben immer gemeinsam darüber gelacht. Als sie nicht mehr schlafen konnte, haben wir ihr eine neue Matratze gekauft. Es hat ihr nicht geholfen.

Nach einem Unfall, verursacht durch einen Verkehrsraudi, machte sie auf Anraten ihres Vaters die Prüfung zum Fahrlehrer. Die Erniedrigungen durch Worte gingen weiter. Eine Mutter meinte: „Die ist doch keine Fahrlehrerin, das kann nicht sein.“

In ihrem Abschiedsbrief entschuldigt sich Stefanie, eine 28 Jahre junge hübsche Frau, bei ihrer Familie und schreibt, sie weiß, dass ihre Familie sie immer im Herzen tragen wird. Wörtlich heißt es da: „….ich habe keinen Lebenswillen und keine Kraft mehr. ….ich fand leider keinen anderen Ausweg mehr.“

Eine Kurzschlusshandlung meinte der Hausarzt. Niemand ahnte, dass Steffi ihrem Leben ein Ende setzen wollte.

Warum die Kapelle?

Steffi hatte gemeinsam mit ihren Eltern geplant ein Haus zu bauen. Das Bauholz liegt, jetzt nach 10 Jahren, immer noch im Garten.

Die Eltern überlegten was sie mit dem Geld, das Stefanie für ihr Haus gespart hatte, tun sollen und entschieden sich eine Kapelle zu bauen. Der Vater sagt: „Unsere Steffi ist jetzt bei Gott und deshalb bauen wir ein Gotteshaus. Keine Sühnekapelle, wie der Ortspfarrer es gewünscht hat, sondern eine Stephanus Kapelle. Ein Ort der Erinnerung. Ein Ort der Ruhe. Ein Ort, um wieder Kraft für das Leben zu tanken.

Und tatsächlich kommen viele Menschen, die ein gleiches oder ähnliches Schicksal haben, zu dieser kleinen Kapelle im Naturpark Augsburg Westliche Wälder. Ein weiteres Mobbingopfer konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben. Um mit seinem Leben klar zu kommen fing er an zu schnitzen. Er hat in der Kapelle kostenlos diverse Schnitzereien gefertigt und so den Eltern gezeigt, ihr seid in eurem Schmerz nicht alleine.