Frau H. litt lange Zeit unter Schlafstörungen. Sie konnte nicht mehr abschalten. Ständig kreisten ihre Gedanken um die Situation an ihrem Arbeitsplatz. Zunächst war sie verbal durch eine Kollegin angegriffen worden. Zudem behauptete diese Kollegin, Frau H. würde sie mobben. Mehrfach beklagte sich die Arbeitskollegin bei ihrem Vorgesetzten, welcher Frau H. letztendlich vorwarf, sie würde die Kollegin diskreditieren. Die Bitte von Frau H. an ihren Vorgesetzten um ein gemeinsames Dreier-Gespräch, lehnte dieser ab mit den Worten: „Rede selber mit ihr“, was Frau H. auch tat. In diesem Konfliktgespräch erklärte sie der Kollegin, dass sie sich nicht beschimpfen lasse und niemand in diesem Ton mit ihr zu reden habe. Wörtlich: „Diesen Ton würde ich mir nicht mal vom Chef gefallen lassen.“

Sie machte deutlich, Kolleginnen zu bleiben mit gegenseitigem, freundlichen Umgangston. Zudem merkte Frau H. an, dass sie in ihrem Leben noch nie jemanden gemobbt hätte und dies auch nicht in ihrem Naturell liege. Die Anschuldigungen beim Chef waren in diesem Gespräch kein Thema, es ging lediglich um den Umgangston. Nach dieser Unterredung von Frau H. mit ihrer Kollegin verschlimmerte sich die Situation merklich. Zwei weitere Kolleginnen beteiligten sich zunehmend daran Frau H. negativ zu bewerten. Ihr Erscheinungsbild wurde ständig kritisiert.  Wenn die entsprechende Kollegin in der Nähe war, wurde sie von allen Kolleginnen wie Luft behandelt. Wenn der Chef in der Nähe war, benahmen sich alle Kolleginnen ihr gegenüber wie früher. Kaffeepausen fanden des Öfteren nicht mehr im Sozialraum statt, sondern wurden in einen Büroraum verlegt. Frau H. wurde darüber nie informiert. Es folgte der soziale Rückzug von Frau H. und zeitgleich kam die panische Angst hinzu, Fehler zu machen. Die Schlafstörungen wurden schlimmer, im privaten Bereich gab es kein anderes Gesprächsthema mehr. Frau H., früher ein lebensfroher Mensch, war nur noch am Weinen. 

Eine Woche Urlaub, für jeden Menschen ein Genuss, für Frau H. der Zusammenbruch. Sie legte sich, nachdem sie am letzten Arbeitstag nach Hause gekommen war ins Bett und dort verbrachte sie ihren Urlaub. Sie hatte am ganzen Körper Schmerzen und war, aufgrund ihrer Schwäche und dem schmerzvollen Zustand ihres Körpers der Meinung, dass sie nun sterben werde. Dass wäre die Erlösung für sie gewesen, obwohl sie eine wundervolle Familie an ihrer Seite hatte. Ihre Familie war, wie auch das gesamte Umfeld, mit der Situation überfordert. Diese Not und Hilflosigkeit sind für Nichtbetroffene nicht nachvollziehbar, zumal auch Frau H. nach wie vor die Schuld bei sich suchte. 

Frau H. hatte Glück. Nachdem sie fast zwei Jahre lang krank war, bot der Arbeitgeber ihr eine andere Stelle an. Nun kann Frau H. wieder lachen und sich des Lebens freuen, obwohl auch bei ihr wie bei den meisten Betroffenen Spätfolgen geblieben sind. 

Nach Mobbing ist nichts mehr wie früher. Es hinterlässt Spuren. Jahrelang gab es für Frau H. keinen schmerzfreien Tag mehr, sie war auf die tägliche Einnahme von hochdosierten Schmerzmitteln angewiesen. Der herzliche kollegiale Umgang an der neuen Arbeitsstelle, entsprechende physiotherapeutische Behandlung und Gespräche in Selbsthilfegruppen haben Frau H. ein neues Leben geschenkt. Sie ist mittlerweile so gut wie schmerzfrei und braucht keine Schmerzmittel mehr. Lediglich die Wortfindungsstörungen sind geblieben, Gott sei Dank nur in sehr abgeschwächter Form.